Trans*feindlichkeit im Stadtbad Neukölln

[Publiziert auf maedchenmannschaft.net]

Bitte unterzeichnet den Offenen Brief an das Stadtbad Neukölln Mail an  juliusfranklin@isd-bund.org

»Wellness ist ein Akt des Wiederstandes«, dieses Zitat von Audre Lorde wird oft und gerne zitiert. Wie sehr dies aber wortwörtlich den Alltag Schwarzer Trans*personen in Deutschland beschreibt, wurde uns am 3.11.15 im Stadtbad Neukölln erneut deutlich gemacht.

Das Stadtbad Neukölln (bekannt aus der Fernsehserie „Sense 8“, in der unter anderen die Transfrau Jamie Clayton eine der Hauptrollen spielt) hat neben seiner einzigartigen imposanten Bauweise einen weiteren Alleinstellungsfaktor in Berlin: Das Wasser ist immer angenehme 30°C warm, somit kriegt mensch ein recht bezahlbares Wellnesserlebnis.

Wir betraten also den binären Umkleidebereich (einen anderen gibt es nicht), sofort zischte uns eine Person entgegen, dass »hier der Frauenbereich ist«, wir bedankten uns für die Information und betraten den Kabinenbereich. A. verschwand in die erstbeste Kabine, in der Hoffnung, sich dieses mal ohne weitere verbale Angriffe umziehen zu können. Als ich in meine Umkleide wollte, stürmte eine weiße Person auf uns zu. Lauthals und agressiv erklärte sie, dass es so nicht gehe, dass, hier der Frauenbereich sei. A. erklärte erneut und ruhig, dass A. eine Trans*person ist und somit sich hier umzieht, aufgrund der Selbstidentifikation Frau. A. ging erneut in die Einzelkabine, die agressive Frau trat mit mir in den Dialog. Sie würde jetzt die Badleitung rufen, dass es letzte Woche schon erklärt worden sei, dass sie Angst um ihre Kinder hätten, wenn Männer hier seien, dass nackte (Cis-)Frauen sich von A.’s Anwesenheit belästigt fühlten… Es wurde immer gewaltvoller, jedweder Hinweis auf ihre Grenzüberschreitungen, Stigmatisierungen, Trans*feindlichkeiten und Beleidigungen wurden beantwortet mit Misgendering und der rassistischen Annahme, dass wir ja aggressiv seien, weil wir nicht diskussionslos solche Verletzungen hinnahmen.

Die Badleitung kam hinein, in Begleitung zweier Männer, die unhinterfragt den Umkleidebereich betreten durften. Frau K. forderte uns mehrfach auf, ihr die Hand zu geben und uns vorzustellen, wir blieben bei einem „Hallo“, zu ängstlich in diesem gewaltvollen Raum unsere Namen zu sagen. Wir wiesen darauf hin, dass wir gerne schwimmen gehen würden und keinen Bedarf hätten, mit der Badleitung zu reden. A. erklärte erneut das eigene Trans- und Frausein und die daraus resultierende Berechtigung für diesen Bereich. A. erklärte auf Nachfrage, was denn los sei, dass es eneut zu verbalen Übergriffen im Umkleidebereich kam. Wir wurden aufgefordert, den Umkleidebereich zu verlassen um über die Situation zu sprechen, leicht bekleidet in Badesachen wurden wir also vom Schwimmbadpersonal abgeführt. Nur widerstrebend wurde zugestimmt, dass A. erstmal die eigenen Sachen im Frauenumkleidespint lassen durfte.

Die darauf folgenden dreißig Minuten im Gespräch mit der Badleitung wurden immer schmerzhafter. Wir wurden immer wieder unterbrochen im Gespräch, unsere Körper gegendert und A. gemisgendert – »Wie ich Sie jetzt sehe sind Sie ein Mann«. Jedwede Aufklärungsversuche über das Gleichbehandlungsgesetz wurden weggewischt mit dem Hinweis auf die Badeverordnung (die wohl nach Frau K’s Einschätzung über deutsche Gesetze erhoben ist). Die Lösung die uns vorgeschlagen wurde war ein Fernhalten von Trans*körpern aus den Umkleiden, eine eingeschränkte Nutzung des Schwimmbades (»Sie wollen eh nur in die kleine Halle, oder?«) und beeinhaltete den stark geäußerten Wunsch, dass A. ja einfach mit der Trans*gruppe schwimmen gehen könnte, die sich einmal monatlich trifft. So sehr ein solches Angebot zu begrüßen ist, einmal im Monat für zwei Stunden in ein kaltes Schwimmbad in einem ganz anderen Stadtteil gehen zu dürfen (für einen erhöhten Preis von 5€), ist nicht zu vergleichen mit jener Nutzungsmöglichkeiten der öffentlichen Bäderanstalten für Cispersonen.

Wie sieht es aus, wenn Trans*personen Sportschwimmen wollen? Hier reicht ein einmaliges Schwimmen im Monat kaum aus. Oder es körperliche Gründe gibt, bei denen Schwimmen eine gute Form der Selbsttherapie sind? Gerade in einem Land, in dem Trans*personen einen so stark eingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung haben, sollten eben solche Orte des Wellnesses, des Sports und der Öffentlichkeit nicht versperrt bleiben.

Als wir erfragten, ob wir, wenn wir uns auf ihren Vorschlag einließen, der beinhaltete, dass wir zum Wechsel zwischen den Schwimmhallen durch den gegenderten Bereich müssen, im Gegenzug wenigstens mit der Unterstützung gegen Übergriffe durch die Badleitung rechnen könnten, wurde versucht nicht zu antworten. Am Ende sollten wir abgespeist werden mit einem »Ich denke darüber nach, aber es ist sehr schwierig«.

So sehr es der Badeleitung auch missfällt, das Argument, »dies könne nicht hier geklärt werden, sondern muss woanders politisch geregelt werden« reicht nicht aus. Auch die Antwort, dass sie sich nun seit letzter Woche ja auch informiert habe, reicht nicht aus. Sie in ihrer Funktion als Badeleitung in einem öffentlichem Schwimmbad müssen ihrer Aufgabe nachkommen allen Nutzer*innen dies zugänglich zu machen, derzeit finanziert Berlin mit 50 Mio Steuergeldern die Berliner Bäderlandschaft. Dass einer Gruppe ebenjene nicht zugänglich gemacht werden, ist nicht tragbar. Berlin wirbt mit seinem bunten, queerfreundlichen Image, die Realität sieht aber anders aus. Nur Initiativen ist es zu verdanken, dass von 62 Berliner Schwimmbädern wenigstens eines einmal im Monat für zwei Stunden die Nutzung für Trans*Personen ermöglicht.

Beim Verlassen des Schwimmbades versuchte Frau K. unsere Namen zu erfragen, wollte ihren nur nach siebenfacher Aufforderung mitteilen. Es wurde versucht, unsere Tickets einzubehalten. Die Kitabetreuerin weigerte sich, ihren Namen oder den Namen der Kita mitzuteilen, sie wies nur darauf hin, daxs »solche Leute« immer so aggressiv seien.

Wir fordern von allen zuständigen Stellen in Berlin, dass Wellness und Sporttreiben allen zugänglich gemacht wird. Nicht Täter*innen trans*feindlicher Übergriffe benötigen ihre Unterstützung, sondern die Opfer von Cissexismus.

Quelle: Trans*feindlichkeit im Stadtbad Neukölln

2 Antworten zu „Trans*feindlichkeit im Stadtbad Neukölln“

  1. […] war für mich hier auch, dass auf den Fall im Neuköllner Schwimmbad von dem_der Schreiber_in gar nicht eingegangen wurde. Hiermit habe ich ja gleich in meiner ersten […]

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