Am Fahrstuhl kotzen

schrift

 

[cw ableism fatshaming]
Fahrstühle sind großartig und dabei sehr, sehr scheiße. Meistens sind sie kaputt, stinken, zu klein und gefüllt mit der selben Ansammlung Arschlöcher wie der Rest des Alltags.
Und: Fahrstuhlmusik, der Soundtrack zum Zermürben jedes Rhytmmusgefühls im Kapitalismus.

Fahrstühle sind Lebenswichtig, lassen Menschen partizipieren und uns Sachen in Häuser hochbefördern, aber sie sind auch ein Angstraum, unter anderem für jene mit nicht sichtbaren Behinderungen.
Abgehetzt und schwer bepackt, seit einer Woche kaum schmerzfreie Minuten ruckel ich am Alex mit dem Koffer hin zu der verschmierten Glastür. Ein weißer dünner Mann steht davor, im nebenbei ruckelt er am Henkel des Rollstuhles eines alten Mannes der starr von ihm wegschaut, bezeichnet seinen Assistenznehmer als „der Rollstuhl“ und legt los.

Die Fahrstühle am Alexanderplatz sind immer überfüllt, sehr langsam und bitter nötig. Es sind einfach zu wenige für diesen Knotenpunkt. Ich stehe schweigend hinter dem meckernden Typen, versuche wegzuhören, aber es will mir nicht gelingen bei seiner ansteigenden Lautstärke. Die Dicken wären schuld, und jene die mit etwas Anstregung und Zähne zusammenbeissen wegen der Schmerzen auch die Treppen nehmen könnten, erklärt er der verschmierten Glastür die sich vor seiner Nase schließt.

Mein Rücken bringt mich beinahe um, manchmal ist die Skoliose wirklich ein Arsch. Ich versuche irgendwie weiter nicht zu beachten, das er mich beschreibt. Leute wie ich, findet er, sind das Problem.

Irgendwann rutscht es mir herraus, we immer zu laut und glasklar:

„Wow bist du scheiße.“ ich richte es weniger an ihn, sondern eher an das für was er steht: die personifizierte Umsetzung meiner Befürchtungen wenn Leute sehen das ich einen Fahrstuhl nutze. Verdutzt fragt er „wasn?“ ich antworte nur „nichts“, er dreht sich weg. Doch leider legt er direkt wieder los, hört nicht auf wie die anderen, die nach solch einer direkten Beleidigung entweder zuschlagen oder verdutzt schweigen.

„Dann wären se ja auch nichtmehr so fett wenn se mal die Treppe nehmen würden“ ich raste aus, meine Löffel sind bei minus eine million, die Schmerzen schön hochgedreht auf einer perfekten Zehn.

 

Das Ding ist, das war irgend so . ein . Arsch. Aber dieses Gespräch führte ich so und in abgeschwächteren Formen schon mit Geschwistern, sichtbar Behinderten Personen usw.

Wie immer scheint es naheliegender zu sein, andere Nutzer*innen eines Hilfmittels zu haten statt den strukturellen Mangel an jenem Hilfsmittel zu kritisieren.

Weil das Warten, find ich ja genauso zum kotzen.

 

 

5 Antworten zu „Am Fahrstuhl kotzen“

  1. Phan.

    Der Mangel ist doch so offensichtlich und Fahrstühle sollten alle benutzen können, auch diejenigen, die keine ersichtliche Behinderung haben, da sie sich beispielsweise mithilfe eines Rollstuhls fortbewegen – benutzen können, ohne sich abwertende(!!!) Sprüche anhören zu müssen! Ich bewege mich auch mithilfe eines Rollstuhls fort und da ich gerne alleine unterwegs bin… wenn da Mal noch jemand vorm Fahrstuhl ist, so ist es mir sogar lieber, die Person da nicht so stehen zu lassen, zudem sind viele dieser wahrhaftig rar gesähten Hilfsmittel oftmals so unüberlegt erstellt worden, dass es ohnehin in jedem Fall angenehmer ist, wenn da noch jemand mit im Fahrstuhl ist – ich wurde schonmal eingequetscht von so ’ner sich schließenden Fahrstuhltür!

    Heute habe ich Dich gesehen in Münster und es soll wirklich keineswegs aufdringlich wirken & ich hoffe auch, damit keine Deiner persönlichen Grenzen zu überschreiten, jedoch möchte ich Dich etwas wissen lassen:

    Deine Worte gingen nicht nur in die Ohren, sie gingen sogar unter die Haut – ich habe jedenfalls dieses Empfinden gehabt!

    Also eine Deiner Gaben nennt sich Eloquenz!

    Zwar ist dieses Jahr noch nicht so alt, jedoch wage ich zu bezweifeln, so schnell wieder so einen schönen Auftritt zu sehen!

    Liebe Grüße,
    Phan (mit Augenklappe ;-))

    1. SchwarzRund

      Hey Phan,

      Vielen Vielen Lieben Dank für deine Perspektive(n) und Worte! Ich habe den Auftritt auch sehr genossen und bin noch immer ganz überwältigt von all den lieben Worten und Momenten in Münster.
      (ich habe dir ein Exemplar vom englischen Zine verkauft das Stift korrekturen hat *lach* du hast also als einzige Person die zweite Auflage noch bevor sie erscheint 🙂 )
      Umarmungen,
      SchwarzRund

      1. Phan.

        Dankeschön!
        Das klingt ja außergewöhnlich mit dem Zine
        Und jetzt noch etwas von meinem Humor:
        Ich wusste ja schon immer, dass ich außergewöhnlich bin – jetzt habe ich es sogar schriftlich: außergewöhnlich [gehbehindert] 😉

        Fühl‘ Du Dich auch umarmt, wenn Du magst!

  2. Phan.

    Besonders hat mir auch Dein Lied gefallen, hat geschafft, mich zu berühren – nicht etwa meinen Körper, vielmehr meine Seele – igendwie hat Deine gesamte peformance mich so sehr beeindruckt und mich mich selbst auch irgendwie stärker (NICHT im Sinne von überlegen!) fühlen lassen/gemacht!
    Ich bin generell sehr interessiert an der gesamten Thematik; eine Freundin & frühere Mitbewohnerin von mir, lebt derzeit in Sao Paulo und ist politisch sehr aktiv, gerade auch im Bezug auf „beeing black & queer“

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