Der Text entstand gestern nach dem Besuch meiner Stammapotheke. Ich danke also der Apotheke in der Baumschulenstrasse für die Inspiration zu folgenden Text 😉
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Drei Jahre lang der gleiche Weg
der gleiche Gang
geschmückt mit einem geklauten Privileg
Drei Jahre lang trug ich einen Namen
der passt
der sas
nicht im Ausweis
nicht im Herzen
aber in der Außenwelt
In der Außenwelt hieß ich „weiss“ mit Zusatz „deutsch“
Am Telefon
Wenn ich Medikamente holte
Eure Blicke waren vielleicht verwirrt
aber gut
Der Name passte
und der Mann der war ja auch weiss
Drei Jahre lang der gleiche Weg
der gleiche Gang
geschmückt mit einem geklauten Privileg
Nach dem Ende wollte ich weiter zu euch gehen
nie habt ihr blöd gefragt
nie
Also sammelte ich all meinen Mut
und rief an
„aber sie haben doch schon eine Kundenkarte!“
Nein, keine eigene.
Nach vielen sehr sehr unangenehmen Minuten des hin und hers
verstandest du
und gabst sie mir
Da stand nichtmehr der weisse Name
der deutsche Name
der Name der passt
sondern mein Name, der zu mir gehört
Lang, melodisch wunderschön
und deutsch oder auch nicht deutsch?
Jedesmal
mit jedem mal
mehr Verwirrung
ich sah es in deinen Mundwinkeln kribbeln
in deiner stimme mitschwingen
blieb immer gelassen
hoffte darauf das nach vier Jahren
geklautem Privileg
etwas weisse Farbe auf mich übertragen wurde
ich würde nie morgens in eine Apotheke gehen
einer dieser Orte an dem du intersektionale Machtausübung fast physisch sehen kannst
nur durch ein kleines Zettelchen weis dieser fremde Weisse alles von dir
all seine Pathologiserungs-Fantasie-Feuchträume werden wahr
da-steht-bipolar
und wieder weist du natürlich das in dem Wort Bipolar das kleine Wort manisch steckt
und wie jeder gute Arier weist du das in dem kleinen Wort Schwarz auch manisch steckt
und ganz ganz viel Urwald
und das verspricht gute Storys
von lianen, exotischen Reisen und dem Helfersland Deutschland
also stehen wir da
und du sagst cooler Name
und ich sage- hier 5 Euro
und du sagst erneut cooler Name
ich sage nein danke das geht auch ohne Tüte
und dann fragst du
im Hintergrund aufgestellt deine Kolleginnen
klar alle weiß
klar alle deutsch
alles – klar
und du fragst
wo kommt der Name denn her
und ich will antworten: hier 5€-aber die hast du ja schon oder: nein danke keine Tüte – aber das weist du ja schon – oder einfach gehen aber du hälst das Medikament fest
also rutscht es mir raus
Deutschland
du grinst und fragst ich antworte Deutschland fragst nochmal Deutschland fragsland frlalalala…
und dann platzt es.
Ja Deutschland.
Mein Vater auch Deutschland
Mutter auch schland
opa deutsches Reich
Oma Arier
Hitler am dienen alles am Start!
Hast du’s jetzt? Was du wolltest? Ist das eine wütende Schwarze ein adequater Ersatz für eine exotische Story?
du weist trotzdem darauf hin was an meinem Namen nicht deutsch sein kann
Ich bin unwillentlich beeindruckt von deiner Ignoranz
wie schlechte Deko stehen deine Koleginnen im Hintergund
schweigende Akzeptanz dieses Stammbaumstripties
und du schweigst und starst und ich erkläre dir dann doch warum du furchtbar bist
erkläre dir dann doch warum das nicht in Ordnung ist
erkläre dir dann doch warum ich mit 25 Jahren Black Experience in Kaltland mehr Ahnung habe..
ich verlasse die Apotheke und du sagst nur „es war doch nur eine Frage“
Wenn es nur eine frage wäre, warum gibt es dann Fachliteratur, Poesie Studiengänge und Kongresse die sich dem widmen? Wenn es nur eine Frage ist …
Drei Jahre lang der gleiche Weg
der gleiche Gang
geschmückt mit einem geklauten Privileg
ich werde den Schmuck ablegen
Stück für Stück
Das Namensschild abnehmen
das noch immer deinen Namen trägt
ein sehr berührender text einfach scheisse die arier tanten
Boah – toller Text für eine besch***ene Situation! Da spüre ich schon gleich wieder die Wut im Bauch. Ich werde auch ständig mit so gespannt funkelnden Augen nach meiner Herkunft gefragt. Ich versuch mich da immer rauszuwinden, aber es geht ja nicht. Es wird einfach immer so lange rumgebohrt oder die Leute denken sich eben Fragen aus, auf die keine ausweichende Antwort mehr möglich ist. Auch ganz groß war letztens die Idee unseres Migrationsbeauftragten*TM auf der Arbeit, wir könnten am Diversity-Tag doch eine Karte aufhängen und alle Leute sollen einen Punkt aufkleben dahin, wo sie herkommen. Da könne man dann schön sehen, wie international wir doch seien – natürlich alles anonym und freiwillig. F*** you! – hab ich da nur gedacht. Ich bin noch an kaum einem anderen Ort so oft auf meine angeblich andere Herkunft angesprochen worden. „Fastnacht – klar ist das nichts für dich, du kommst ja aus nem anderen Kulturkreis!“ (Bin in einer Fastnachtshauptstadt aufgewachsen); „Wir hatten hier ja auch schonmal ein Kopftuchproblem“ (trage zwar keins, bin aber eine von denen da, da kann man das ja schonmal assoziieren, amiright?) usw. Und wie anonym und freiwillig ist das ganze denn, wenn ich die einzige mit diesem Herkunftsland bin und mich nicht aufklebe? Kommen dann alle und weisen mich darauf hin, dass ich noch nicht geklebt habe und warum denn nicht und ist doch nur ne nette Idee? Und dann können wir die Karte aufhängen und uns ganz toll fühlen, weil wir so international sind und müssen uns weiter keine Gedanken über Diversity mehr machen, weil wir hatten da ja letztens den Diversity-Tag. Ich hab dann lautstark interveniert und konnte immerhin diese Aktion abwenden. Ich versuche derzeit, das System von innen zu verändern. Aber ich fürchte, lange halte ich das da nicht durch…